Sonntag, 25. Oktober 2015

Bericht vom Börsentag Berlin 2015 mit zukünftigen Ausblick auf den Kapitalmarkt

Wie in jedem Jahr im Oktober fand auch 2015 wieder der Börsentag in Berlin statt. In diesem Jahr zum letzten Mal im bcc - berlin congress center am Alexanderplatz direkt gegenüber dem Einkaufszentrum Alexa. 2016 wechselt die Veranstaltung in das Ludwig Erhard Haus der IHK unweit vom Bahnhof Zoo. Obwohl eine Vorabregistrierung notwendig war, mit einer strengen Handhabung der Nutzung der Ein- und Ausgänge, empfand ich es ebenso voll wie in den vergangenen Jahren. Neben einer gewissen Kontaktpflege ist für mich interessant wie sich Vermögensverwalter in ihren Portfolios positioniert haben, und welche Chancen/Risiken Charttechniker ausfindig machen konnten. Über die Highlights möchte ich hier berichten.

Zugegen war ich dort mit Markos vom Blog Finanzielle Freiheit mit Dividenden und getroffen haben wir noch Henry vom Dividendenhamster sowie Michael, die Geld-Katze. Henry hat noch ein schönes Video erstellt, schaut doch einfach mal rein.

Von folgenden Referenten habe ich mir zeitweise oder ganz die Vorträge angeschaut:
  • Bernecker Verlagsgesellschaft (Hans A.Bernecker)
  • Vermögensverwaltung Dr. Zschaber (Björn Kising)
  • Börsenbrief HAACK-Daily (Hans Jürgen Haack)
  • Commerzbank (Petra von Kerssenbrock)
  • GodemodeTrader (Harald Weygand)
  • Diskussionsrunde mit Robert Halver und Hermann Kutzer (Moderation Holger Scholze)
Wenn es ein Motto dieser Veranstaltungsrunde gäbe, dann könnte man es unter "Die großen Notenbanken regieren die Welt" zusammenfassen. Im Folgenden gehe ich einige Sektoren durch.

Zinswende in den USA / Notenbank
Der Alexanderplatz in Berlin
Ziemlich übereinstimmend war von den Vortragenden und Diskutanten zu hören, dass die Zinswende in den USA ausfällt, und die Leitzinsen weltweit von den relevanten Notenbanken durchaus längere Zeit niedrig gehalten werden. Weygand erwartet, dass die Fed im Gegenteil die Geldschleusen bald wieder öffnen werde, Bernecker bildete eine Ausnahme und erwartet nicht nur eine Zinswende, sondern einen neuen Zyklus mit über viele Jahre hinweg steigenden Zinsen.

Kising präferiert bald neben dem Aufkauf von Staatsanleihen seitens der Notenbanken auch einen Kauf von Aktien, wie er in Japan bereits praktiziert würde.

Gold
Ein gemischtes Bild herrschte gerade bei den Charttechnikern, was Gold betrifft. Während die Commerzbank im mittelfristigen Abwärtstrend noch keine Kaufkurse sieht, witterten Weygand und Haack das Potenzial für einen Trendwechsel. Wobei vorerst zwar die Chancen besser stünden, aber noch die konkrete Trendumkehr abgewartet werden müsse.

Ölpreis
Komplett anders als noch vor einigen Jahren, wird für Öl kein knappes, sondern weiter ein üppiges Angebot erwartet. Konsens herrschte über einen weiter niedrigen Ölpreis, wobei ein Kollege von Weygand den Ölpreis bald sogar im einstelligen US-Dollarpreis sah. Weygand selbst war zurückhaltender mit unteren Preisen zwischen 35 und 40 US-Dollar.

Euro/US-Dollar
Hier gab es aus meiner Sicht in einigen Fällen widersprüchliche Aussagen. Einerseits wurde - durchaus zurecht - gesagt, dass die europäische Zentralbank EZB die Leitzinsen noch über lange Zeit bei null Prozent halten würde (Halver sprach davon, dass eine Erhöhung der Leitzinsen in der Eurozone nie mehr stattfinden würde). Gleichzeitig wurde von einem stärkeren US-Dollar gesprochen, obwohl im selben Zusammenhang die Zinswende in den USA abgeblasen wurde. Teilweise wurde ein Wert des Euro unterhalb der Parität zum US-Dollar erwartet.

Anmerkung von mir: Im Markt ist weiterhin eine Zinserhöhung in den USA eingepreist. Falls diese abgeblasen werden würde, dann tendiert neben dem Euro auch der US-Dollar schwächer. Das Überraschungspotenzial für steigende Notierungen läge beim Euro und eine Parität wäre demnach längst nicht sicher. 

Aktien
Einigkeit herrschte bei Aktien. Wohl auch unter dem Eindruck der jüngsten starken Kursrally Ende der zurückliegenden Woche, sind selbst die vorherigen Skeptiker (Weygand) wieder ins Lager der Aktienbullen zurückgekehrt.

Über Sinn und Unsinn von Kurszielen wurde hier auf dem Blog schon häufiger kritisch diskutiert. Da jedoch welche genannt wurden, nenne ich sie auch hier. Sollte jetzt nichts dramatisch negatives passieren, erwartet Bernecker den DAX zum Jahresbeginn 2016 bei 12.000, Weygand im Frühling 2016 über 13.000 Indexpunkte. Kutzer wies darauf hin etwas mehr Demut zu zeigen. Denn 10.800 DAX-Punkte aktuell seien immerhin rund 10 Prozent mehr als zum Ende des Jahre 2014.

Derzeitige Aktientitel im Portfolio
mit 50% Aktien der
Vermögensverwaltung (Zschaber)
(Bild ziemlich unscharf)
Schon traditionell ziemlich negativ für ein Alternativ-Szenario in Europa eingestellt war Kising. Dort in der Vermögensverwaltung Zschaber wird ein Hauptszenario und mehrere untergeordnete Alternativ-Szenarien entworfen und diese für die praktizierte Vermögensverwaltung gewichtet. So hätte Deutschland in einem Alternativ-Szenario wegen seiner wirtschaftlich starken Sonderstellung in Europa bei etlichen Nachbarn Ressentiments hervorgebracht. Vor allem Frankreich sei mit den politisch nationalistischen Tendenzen (Front National) ein großes Problem in Europa, falls es dort wirtschaftlich bald nicht besser laufen würde. Kising verglich die Gesellschaft in Europa sogar mit der Situation kurz vor dem Zerfall des Römischen Reiches.
Natürlich ist naheliegend, dass dieses Alternativ-Szenario (Zitat: "immer das Undenkbare denken") eine Portion Marketing enthielt, um die sehr auf Sicherheit bedachten deutschen Anleger im Publikum zur Vermögensverwaltung zu bewegen.

Interessant aber die Sicht auf das chinesische Wachstum von Kising. Denn dieses sei trotz der prozentualen Steigerung unter 7 Prozent absolut betrachtet noch immer sehr hoch und um China müsse man sich keine Sorgen machen. 

Bernecker betonte, dass er eher ein Spekulant sei. Japan und China würde er grundsätzlich meiden, weil er die Mentalität dieser Länder nicht verstehe. Nach seinem Szenario eines bald noch stärkeren US-Dollar ist die Überlegung, aus der Sicht der Eurozone verstärkt US-Aktien zu kaufen. Die Aktie von Volkswagen und der Deutschen Bank fände er derzeit interessant. Haack findet beispielsweise die Dividenden-Aristokraten Altria und Procter&Gamble gute Investments für die nächsten Jahre. 

Von Kerssenbrock hob hervor, dass aus der ehemaligen BRIC-Region eher ein IC geworden sei. Brasilien und Russland hätten tiefgreifende strukturelle oder durch die niedrigen Rohstoffpreise ausgelöste Probleme, die auch noch weiter andauern dürften.


Fazit
Aktien sind die bevorzugte Anlageklasse und außer einigen privaten Zuhörern habe ich keine negative Meinung zum Aktienmarkt in den nächsten Monaten vernommen. Auch das niedrige Zinsniveau wird uns nach Meinung der meisten Vortragenden noch lange Zeit erhalten bleiben.
Diese ziemlich eindeutige Stimmung pro Aktien könnte einem schon wieder zu denken geben. Am kommenden Wochenende können Sie meine Einschätzung im Monatlichen Marktbericht zur aktuellen Verfassung des Kapitalmarktes erfahren.

Zum Weiterlesen:

4 Kommentare:

  1. Danke für die Zusammenfassung. Ich habe auch überlegt, ob ich auf die Messe gehe, aber inhaltlich spricht mich das Angebot praktisch gar nicht an. Aus deiner Zusammenfassung bin ich auch nicht schlauer geworden -- es ist weiterhin wie immer. Viele "Experten" treffen sich und raten, was in der Zukunft sein könnte. Je verschiedener die Ziele, desto größer ist die Chance, dass einer zufällig mal recht hat, oder? ;)

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    1. Wie viel man von solchen Veranstaltungen mitnimmt, hängt im Wesentlichen von einem selbst ab. Wer eine eigene Strategie hat, wird jetzt nicht grundsätzlich anders vorgehen als vorher. Wer es gerne etwas aktiver im Depot mag oder gar tradet, bekommt zumindest Anregungen. Wie viel diese bringen, steht auf einem anderen Blatt.
      Aber zur Kontaktpflege können solche Events betragen, wie auch das nachträglich eingefügte Video zeigt.

      Die Veranstaltungen finden auch in anderen Städten Deutschland statt.

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    2. Ich sehe es ähnlich wie Lars. Schaut man sich den Veranstaltungsplan an, kann ich Rico auf einer Seite verstehen. Es gibt oft ein riesiges Angebot von Trading-Produkt-Anbietern... Auch, wenn man seit Jahrzehnten seine eigene Strategie hat, bleibt man zumindest aktuell auf dem Laufenden.

      Gerade auch als Blogbetreiber im Bereich Finanzen ist es immer wieder interessant sich mal mit seinen Lesern, zu gucken, wo die Probleme für Newbies liegen und vor allem was für Fragen gestellt werden.

      Im Zuge der Blogbetreiber, selbst im selben Segment, finde ich ein persönliches Kennenlernen mal echt interessant. Und sein wir mal ehrlich...jeder hat seine Neider und Fans. Klar renne ich auch nicht auf jede Veranstaltung aber es lockert mal die Einsicht, als ständig nur auf den Bildschirm zu gucken und Artikel zu schreiben - Gruß René

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  2. Mhm, die Markt"meinungen" einiger Anzugträger interessieren mich tatsächlich eher weniger. Erstens wissen die doch auch nicht wirklich was kommt, und zweitens geht es doch eigentlich im Prinzip eher darum dass sie sich (ex post facto) rechtfertigen warum sie ihr Portfolio so oder so ausgerichtet haben (und mit einer hoffentlich überzeugend wirkenden Argumentation den Zuschauern Kompetenz vermitteln und dadurch mehr Anlegergeld einsammeln).

    Interessanter wäre stattdessen, ob du auf der Messe irgendwelche neuen Produkte, Strategien, Anbieter, etc. entdeckt hast, die du für mitteilenswert hälst ? Im positiven, wie auch im negativen (kann ja auch manchmal ganz nützlich sein, wenn man vor irgendeinem Schwachsinn noch extra warnt).

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