Sicher haben Sie diesen Satz auch schon oft gelesen. Gerade wenn wieder eine Prokon-Pleite, Infinus-Skandal oder Falschberatungen der Banken bei der Finanzkrise in den Schlagzeilen sind, hat dieser gutgemeinte Ratschlag Hochkonjunktur. Doch wie sieht es damit in der Praxis wirklich aus, und was ist davon im Grunde nur Platitüde ? Dieser Frage, und was das für uns Anleger im Grunde selbst bedeutet, werden wir nun im folgenden Artikel genauer nachgehen.
1.) "Investieren Sie nur in Unternehmen, die Sie verstehen."
Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein: Warum würde ich auch einem Unternehmen mein Geld geben, wenn ich noch nicht mal weiß wie die ihr Geld überhaupt machen ? In Deutschland hatten wir ja mit dem Neuen Markt bereits erleben können, wohin so etwas führt. „Neu“ war dabei anscheinend nur, dass man nicht mehr so altmodische Dinge wie ein nachvollziehbares Geschäftsmodell oder belastbare Bilanzen brauchte, um an den Börsen ein Kursfeuerwerk auszulösen. Hauptsache „irgendwas mit Computern und so...“. Vom Abgesang dieser Hysterie hat sich die Aktienkultur hierzulande bis heute noch nicht erholt.Neben Recherchen im Internet, bildet auch das Lesen von Büchern und eBooks weiter |
Wer vor 15 Jahren stattdessen lieber in „langweilige“ Bluechip-Werte wie Daimler, Bayer und Allianz investiert hat, wird heute sicher mehr Freude daran gehabt haben. Allerdings zeigen auch hier Gegenbeispiele wie RWE und Commerzbank etc, das dies keine Selbstverständlichkeit sein muss. Auch bekannte Geschäftsmodelle sind noch lange keine ausreichende Garantie für eine langfristige gute Entwicklung. Ich möchte dabei einfach mal die ketzerische Behauptung aufstellen, dass die Mehrzahl der Kleinanleger auch bei den großen, populären Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen nicht etwa nach einem sorgfältigen Studium der Geschäftsberichte und Entwicklung des Marktumfeldes trifft (gelingt dies ja auch den vielen hochstudierten und gutbezahlten „Analysten“ nicht immer), sondern eher nach einem „Gefühl der Solidität“ handelt.
Sie sehen überall Mercedes' herumfahren und an jeder Ecke sitzt eine Allianz-Filiale. Diese Marken wirken vertraut, existieren schon seit hundert Jahren und strahlen damit eine Sicherheit aus, dass es sie auch in weiteren hundert Jahren immer noch geben wird. Das glaubt der Kleinanleger dann zu „verstehen“, aber in Wirklichkeit können wohl nur wenige davon die Zusammenhänge in solchen hochkomplexen, international agierenden Multikonzernen einigermaßen durchblicken und vernünftig begründete Meinungen dazu abgeben.
Es reicht nicht einfach nur, verstehen zu glauben, dass Daimler tolle Autos baut. Ein Großteil ihres Umsatzes wird inzwischen in China gemacht, und den meisten Kleinanlegern kann man ehrlicherweise kein besonderes Verständnis für die speziellen Bedingungen des chinesischen Marktes zutrauen. Auch ob zum Beispiel jeder Kleinaktionär der Allianz richtig begreifen kann, welche Auswirkungen die anhaltende Niedrigzinsphase langfristig auf die Versicherungsbranche haben wird, mag genauso bezweifelt werden.
2.) "Investieren Sie nur in Anlageprodukte, die Sie verstehen."
Den veröffentlichten Umfragen und Statistiken ist zu entnehmen, dass das Geld der Deutschen vorrangig in Bankeinlagen, Versicherungsverträgen und Immobilien steckt. Die Börse spielt nur für etwa 7 bis 15 Prozent der Leute überhaupt eine gewisse Rolle (je nachdem wie man Aktien, Fonds und Zertifikate mitzählt).Das klassische Sparkonto ist wohl vor allem auch deshalb so beliebt, weil es eben für die meisten Menschen noch am ehesten leicht verständlich ist. Man bringt dort sein Geld hin und erhält eben Zinsen dafür. Wenn man allerdings mal nachfragt, ob sie auch wissen, woher die Zinsen überhaupt zustande kommen, lässt das wirkliche Verständnis auch meist schon wieder nach. Genauso wie man auch ehrlicherweise der breiten Masse nicht unbedingt die nötige intellektuelle Leistungsfähigkeit unterstellen könnte, um auch alle Feinheiten der vielen Versicherungsprodukte (was zum Beispiel die Berechnung der tatsächlichen Kosten und die tatsächliche Rendite betrifft) wirklich zu durchschauen. Das ist noch nicht mal so böse gemeint wie es vielleicht klingt, denn dahinter kann man ja auch immer eine gewisse Verschleierungs-Absicht der Konzerne vermuten.
Aber auch eigentlich "fortgeschrittene" Anleger haben immer noch jeweils einen gewissen Restbestand an "gedanklicher Bequemlichkeit" mit übrig. Was ein klassischer Fonds oder ETF ist, könnten zwar die meisten noch einigermaßen kindgerecht erklären ("...ja da werden halt mehrere verschiedene Aktien in einem einzigen Produkt zusammen gebündelt"), aber wie das ganze "unter der Haube" nun eigentlich wirklich genau abläuft, übersteigt schon wieder den Horizont, interessiert sie auch nicht weiter und sie vertrauen einfach mal darauf, dass das schon irgendwie so passt und alles mit rechten Dingen zugeht.
Natürlich, es mag am Anfang etwas lächerlich klingen, wenn man vom Anleger fordert, er solle sich nun auch noch vor jeder Investition erst einmal immer penibel durch mehrere hundert Seiten unverdaulicher Prospekte und Unterlagen quälen, um die schwer durchschaubaren Zusammenhänge und Hintergründe der modernen Finanzinstrumente wirklich zu verstehen, was in seiner ganzen Tiefe fast schon eine akademische Ausbildung für Ökonomie und Finanzrecht bräuchte. Darum geht es mir natürlich auch nicht wirklich, aber man sollte zumindest schon die gröbsten Schweinereien wenigstens beim Namen kennen, um bei einer (der vernünftigen Sorgfaltspflicht angemessenen) Sichtung der Dokumente zu wissen, worauf man besonders achten sollte.
Auf jeden Fall muss man aber immer wissen, wie eine jeweiliges Anlage-Produkt im "Dreieck der Geldanlage" allgemein positioniert ist. Genauer gesagt, sollte man eine realistische Erwartungshaltung entwickelt haben, um auch für sich selbst deutlich beantworten zu können (ohne, dass man das z.B. von einem Vertreter vorgekaut bekommt) welche Chancen eine jeweilige Anlage hat, welche Risiken bestehen und ob/wie diese Anlage überhaupt in mein eigenes finanzielles Gesamt-Konzept passt.
Welche Schwankungen (nach oben UND nach unten) können bei den Anlagen auftreten, für welchen Zeithorizont sind sie geeignet und auf welche Besonderheiten muss ich eventuell achten, wenn ich zum Beispiel doch mal vorzeitig an mein Geld ran will ? Wer garantiert mir welche Sicherheiten, und was sind diese Garantien im Endeffekt wirklich wert (oder was kosten sie mich) ? Bestehen über den Totalverlust hinaus eventuell sogar noch Nachschusspflichten ?
All diese Fragen müssen Sie selbst beantworten können, um Sinnvolles von Unsinnigem trennen zu können und Ihren eigenen Weg durch den Finanzdschungel zu schlagen. Auf der anderen Seite leben ja nämlich ganze Branchen davon, die es alle nur auf "Ihr Bestes" (na, was wohl?) abgesehen haben, und je unmündiger und unfähiger ein Kunde ist, umso leichter kann er von denen auch weiter ausgenommen werden.
Die Möglichkeiten sein Geld anzulegen sind sehr groß. Daher ist es ratsam, sich über seine Geldanlage gut zu informieren. |
3.) "Verstehen Sie sich überhaupt selbst ?"
Die implizit mitschwingende Umkehr des Satzes in der Überschrift ist ja: „Wenn ich etwas nicht verstehe, sollte ich darin nicht investieren“. Dagegen mag ja im Prinzip nichts einzuwenden sein, aber kritisch wird es immer dann, wenn man es sich zu leicht mit einer bequemen Ausrede für die eigene Ignoranz macht. Ich möchte, wenn ich etwas noch nicht verstehe, doch lieber erst mal alles unternehmen damit ich es auch tatsächlich verstehe, um dann eine wirklich bewusste und informierte Entscheidung (egal ob am Ende pro oder contra) treffen zu können.In die eigene finanzielle und generelle Bildung Zeit und Energie zu stecken, kann die beste Investition überhaupt sein. Denn das legt ja eigentlich erst die richtige Basis, um alle weiteren konkreten Entscheidungen dann wirklich souverän tätigen zu können. Lieber eine Stunde über Geld nachdenken, als hundert Stunden einfach nur weiter für Geld arbeiten zu gehen, wie es auch so schön heißt. Und gerade in Zeiten des Internets ist es ja auch so einfach wie nie zuvor, sich umfassend (aber auch leichtverständlich, wie zum Beispiel bei den vielen privaten Finanzblogs von Laien für Laien) über diese Themen mit der nötigen Unabhängigkeit informieren zu können. Wer es schafft, ein paar Stichworte in Google einzugeben, findet im Grunde auf so ziemlich jede Frage eine Antwort - oft sogar auch mehrere Antworten, was es vielleicht erstmal nicht einfacher macht, aber ein Thema wenigstens von vielen Seiten her auch kritisch behandelt.
Und wem das immer noch nicht reicht, der hat die Möglichkeit, sich in Mails, Kommentaren oder Foren persönlich auszutauschen. Wer, statt einfach nur weiter treudoof in die örtliche Bank- oder Versicherungsfiliale zu dackeln, mal lieber ein paar Stunden im Monat einige Artikel im Netz liest, kann später selbstbewusster mehr für seine eigene finanzielle Entwicklung erreichen. Auch wenn die speziellen Einzelheiten dieses Themas sicher nicht immer die spannendsten sind, und der Gedanke verlockend ist, es an jemanden abgeben zu können der uns verspricht sich gut darum zu kümmern, ist dabei erst mal nur eines wirklich garantiert: Die höheren Kosten, die solche Mittelsmänner verursachen. Die höheren Renditen, die sie uns dafür versprechen, sind jedoch nicht garantiert (und werden, wenn überhaupt, meist auch nur wieder von den Gebühren aufgefressen).
Allein in Deutschland beschäftigt die Finanzbranche ja mehrere hunderttausende Mitarbeiter, und womit werden die wohl alle eigentlich überhaupt bezahlt ? Na zum Großteil knabbern die sich das von unserem Anlegergeld wieder weg, und das für eine Arbeits"leistung" die oftmals den Namen nicht verdient. Mein Ziel bei meiner Geldanlage ist es doch, mein eigenes Geld zu vermehren, und nicht nur den Gewinn für die Bank. Wer dagegen selbstbestimmt handelt, wird vielleicht auch nicht immer die perfekten Entscheidungen treffen, aber zumindest braucht man dann die Schuld dafür nicht später bei anderen zu suchen, die man dafür auch noch bezahlt hat.
So ist es nämlich, wenn im Fernsehen immer mal wieder so ein typischer Beitrag gezeigt wird, wo zum Beispiel eine naive alte Oma tränenrührend sich beschwert, wie sie von einem windigen, provisionsgeilen Vertreter irgendwelche zum Scheitern verurteilte Schiffsfonds o.ä. angedreht bekommen hat. (Natürlich beschweren sich die Leute auch immer erst hinterher, nachdem die Anlage "unerwarteterweise" eben Schiffbruch erlitten hat, während sie alle Gewinne sonst anstandslos eingestrichen hätten). Was damit gemeint ist, ist natürlich klar: Die böse, geldgierige Finanzbranche muss endlich stärker an die Regulations-Kandare genommen werden, um das arme Volk vor seiner eigenen Dummheit zu schützen. Denn es kann ja schließlich nicht von Lieschen Müller erwartet werden, dass es sich immer jedes Kleingedruckte von allen Verträgen, die es so unterschreibt (wo eben sicher auch die aufgetretenen Risiken erwähnt wurden) auch wirklich durchliest.
Bloß nichts selber denken müssen, lieber weiter von dem ach so netten Vertreter beim Kaffee einlullen lassen, und am Ende soll es am besten noch der Staat einfach richten, wenn es schiefgeht? So hart es auch klingt, aber (außer natürlich in Fällen von direktem Betrug) hält sich mein Mitleid für solche Geschichten inzwischen doch schon arg in Grenzen, denn wer heutzutage die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hat und der Finanzbranche nicht generell mit einer gehörigen Grundportion an Misstrauen und Skepsis gegenübersteht, hat es doch fast schon verdient, einfach nur weiter deren Schlachtvieh zu bleiben. Es wird wohl immer eine gewisse Gruppe an Schafen geben, aber zumindest haben wir alle selbst die Wahl, wie weit wir dazugehören wollen.
Auch wenn das erst mal der ruinierten Oma nicht besonders weiterhilft, habe ich doch wenigstens mir selbst gegenüber den Anspruch, dass mir so etwas (auch im Alter) selbst nicht passiert, indem ich eigene, für mich passendere Investmententscheidungen treffe, und dazu auch bereit bin, den "Aufwand" zu betreiben, mich selbst zu informieren (und das eben nicht nur bei Verkäufern, die ein bestimmtes Eigeninteresse haben). Wenn Ihnen das nächste mal ein "Berater" wieder irgendein tolles Produkt aufschwatzen will, fragen Sie ihn doch andererseits auch mal, in was für Anlagen er selbst sein Kapital so investiert hat.
Natürlich ist dieser Artikel hauptsächlich nur eine "Predigt zum Kirchenchor", wie der Amerikaner sagt, da Sie als Leser eines Finanzblogs ja schon eine gewisse eigene Grundbereitschaft zum selbstständigen Denken und aufgeklärten Handeln mitbringen. Dennoch ist es auch wichtig, immer wieder seine eigenen Denkmuster zu hinterfragen, um eventuelle Abhängigkeiten und Unsicherheitsfaktoren aufzudecken und zu vermeiden.
Der teilweise etwas schärfere Ton des Artikels ist auch nicht immer so ernstgemeint, sondern soll bewusst auch Reaktionen hervorrufen. Wir selbst sind es ja, die uns ändern müssen (anstatt einfach immer nur bequem weiter auf "die anderen" zu schimpfen), um hierzulande eine wirklich starke und nachhaltige Anlegerkultur entwickeln zu können, die auch der Finanzindustrie gegenüber deutlich macht, dass sie uns nicht einfach nur weiter wie bisher benutzen kann. Denn nicht vieles ist für die Zukunft wirklich "alternativlos", aber die Notwendigkeit, seine finanziellen Angelegenheiten endlich in die eigenen Hände zu nehmen, ist es auf jeden Fall.
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