Dienstag, 17. März 2015

Teil 1 - Elternunterhalt im Pflegefall - wann müssen Kinder zahlen?

Durch einen aktuellen Fall im Bekanntenkreis, interessiert mich derzeit das Thema Elternunterhalt im Pflegefall, also in welchen Fällen Kinder vom Gesetz her für die Pflege ihrer Eltern bezahlen müssen. Das ist aus verschiedenen Gründen ein durchaus schwieriges Thema, aber ich finde es passt dennoch hierher. Denn jeder mit einem gewissen Geldvermögen oder mit ordentlichen Einkünften - sei es aus der Erwerbstätigkeit oder aus Zinsen, Dividenden und Mieten - kann in bestimmten Fällen zur Zahlung verpflichtet werden. Das könnte soweit gehen, dass das eigene Vermögen bzw. investierte Kapital abgebaut oder sogar aufgebraucht werden muss.
Da beim Schreiben ziemlich viel Text entstanden ist, gibt es zu diesem Thema einen ersten Teil und einen zweiten Teil.

Zunächst einmal der Hinweis, dass ich kein Jurist bin und es handelt es sich bei den folgenden Ausführungen um meine eigenen Erfahrungen und meine eigene Recherche zum jetzigen Stand. Sollte etwas nicht korrekt sein, informieren Sie mich bitte darüber. Zudem sollten Sie keine Entscheidungen nur auf Grundlage dieses Artikels treffen, sondern sich an einen Anwalt wenden.

Wir Menschen werden immer älter und erfreuen uns im Durchschnitt länger einer guten Gesundheit als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Einige Gründe sind eine insgesamt gesündere Lebensweise und bewusstere Ernährung, vor allem aber schreitet die medizinische Forschung immer weiter voran. So gibt es mittlerweile nicht wenige 85- oder 90-jährige, die noch ein halbwegs normales Leben genießen können. Dennoch trifft es einige Menschen, dass sie aufgrund von gesundheitlichen Problemen nur noch mit regelmäßiger Pflegebetreuung leben können.

Ein Pflegefall ist ziemlich teuer und
kann auch aufgebautes Vermögen
verringern.
Was passiert im Pflegefall?
Um eine Pflegestufe zu erhalten, muss ein Mensch für einen längeren Zeitraum - mindestens sechs Monate - pflegebedürftig sein. Der Pflegebedürftige stellt einen Antrag bei seiner Krankenkasse, die dann einen medizinischen Gutachter zur Feststellung der Pflegestufe beauftragt.
Die Höhe der Pflegestufe richtet sich vor allem am Zeitaufwand für die Pflege und unterteilt sich in die Stufen I, II und III. Pflegestufe III bedeutet einen Zeitaufwand der Pflege von mindestens 5 Stunden täglich.
Erst seit wenigen Jahren wurde auch die Pflegestufe 0 für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz eingeführt. Somit wird nun auch Altersverwirrtheit mit ihrem Hilfebedarf entsprechend berücksichtigt.

Nachdem die Pflegestufe ermittelt wurde, gilt es nun zu überlegen, auf welche Weise, wo und vor allem wer den Bedürftigen pflegt.
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. So war es lange Zeit nicht unüblich, dass die Pflege von Verwandten übernommen wurde. Das ist sicherlich eine recht preisgünstige Variante, aber oft nicht besonders professionell und vor allem kann und möchte nicht mehr jeder Verwandte die dauerhafte Pflege übernehmen.

Mehr zum Thema auch in einem Video auf dem YouTube Kanal von Passiver Geldfluss.



Was kostet ein Pflegefall?
Ambulante Pflege gibt es in Abhängigkeit der gewählten Leistungen bereits für einige hundert Euro pro Monat.

Ein Platz in einem Pflegeheim kostet - je nach Pflegestufe - etwa 2.000 bis knapp 4.000 Euro im Monat.
Im Jahr 2012 lagen die Kosten für eine Unterbringung im Heim bei Pflegestufe III im Bundesdurchschnitt monatlich bei etwa 3.250 Euro bei vollstationärer Pflege. Die Pflegeversicherung übernimmt einen gesetzlich festgelegten Anteil an den Pflegekosten, dessen Höhe sich nach der Einstufung in eine Pflegestufe richtet. Im genannten Beispiel beträgt dieser 1.550 Euro im Monat. Der nicht abgedeckte Anteil von 1.700 Euro pro Monat müsste aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Dafür wird die monatliche Rente herangezogen, aber falls diese nicht reichen sollte, muss das eigene Vermögen angegangen und notfalls auch aufgebraucht werden.

So weit erst einmal zum Einstieg in dieses Thema und ich denke bis hierher dürfte alles ziemlich nachvollziehbar und vielen Lesern der Sachverhalt größtenteils nicht unbekannt sein.
diadema-pflege.de

Was ist, wenn die Pflege nicht aus eigener Kraft bezahlt werden kann?
Jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema. Was passiert, wenn das Pflegeheim nicht oder - nachdem eigene Mittel aufgebraucht wurden - nicht mehr aus eigenen finanziellen Mitteln bezahlt werden können?
Viele werden jetzt denken, "tja, dann zahlt der Staat in Form des Sozialamtes". Das passiert in der Tat auch im ersten Schritt, doch anschließend prüft das Sozialamt, ob es sich das Geld in der Familie des Pflegebedürftigen zurückholen kann.

Zunächst muss der Ehepartner einspringen. Sollte dieser nicht vorhanden sein oder ebenfalls keine ausreichenden Mittel zur Verfügung haben, werden die Kinder des Pflegebedürftigen aufgefordert, ihr Vermögen offen zu legen. Schwiegerkinder dürfen jedoch nicht für pflegebedürftige Großeltern zur Kasse gebeten werden. (BGH, Urteil vom 14.01.2004). Etwas anders ist der Fall bei Enkelkindern. Diese können zum Unterhalt für Großeltern verpflichtet werden, falls deren Kinder selbst nicht verpflichtet sind, weil ihr Einkommen und Vermögen zu gering sind.

Interessanterweise ist es dabei unerheblich, ob zwischen Eltern und Kind eine gute oder schlechte Beziehung besteht oder ob man überhaupt Kontakt hat. Die Pflicht zum Unterhalt ist gesetzlich vorgeschrieben. Nur in Ausnahmefällen müssen Kinder keinen Elternunterhalt zahlen, zum Beispiel wenn sie misshandelt wurden.

Was schaut sich das Sozialamt bei Kindern alles genauer an?
Dazu zählt ein regelmäßiges Einkommen, wie zum Beispiel Gehalt aus einer Erwerbstätigkeit oder Erträge aus Vermögenswerten, jedoch auch angespartes Vermögen auf Sparbüchern oder Tagesgeldkonten, Wertpapiere wie Aktien oder Anleihen, vermietete Immobilien, Gold und Schmuck.

Wer unterhaltspflichtig ist, darf laut Düsseldorfer Tabelle 1.800 Euro pro Monat für sich behalten, für den Ehepartner 1.440 Euro. Alles was darüber hinausgeht, geht ans Sozialamt, welches auch Geschenke der Eltern an die unterhaltspflichtigen Kinder zurückfordern darf, wenn die Schenkung nicht länger als zehn Jahre zurückliegt.
Allerdings gibt es auch hier Einschränkungen, denn ausgenommen ist das so genannte Schonvermögen beim Elternunterhalt. Leider gibt es hier keine feste Grenzen und man muss gegenüber dem Sozialamt darlegen, in welcher Höhe und für welche Zwecke man das Geld zurücklegt.

Eigengenutzte Immobilie
Hier ist das Kapital am besten in einer eigengenutzten Immobilie vor dem Zugriff des Sozialamtes geschützt. Bei einer abgezahlten Immobilie muss man allerdings die ersparten Mietkosten für das zur Bestimmung des Elternunterhalts maßgebliche Einkommen hinzurechnen.
Zum Schonvermögen zählen auch Rücklagen für Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen im angemessenen Rahmen. In einem früheren Gerichtsurteil wurden Rücklagen in Höhe von 160.000 Euro nicht als Schonvermögen anerkannt, weil die Höhe der Rücklage als unverhältnismäßig eingestuft wurde.

Eine Immobilie, die zur Vermietung erworben wurde, zählt nicht zum Schonvermögen, es sei denn, sie ist die einzige Form der Altersvorsorge.

Altersvorsorge
Neben der selbst genutzten Immobilie gilt grundsätzlich die Altersvorsorge als Schonvermögen, aber nur bis zu bestimmten Grenzen.
In einem Urteil des Bundesgerichtshofs wurde folgende Berechnung für ein Altersvorsorgevermögen als angemessen angesehen: Fünf Prozent des gegenwärtigen Bruttoeinkommens, welches sich mit jährlich vier Prozent für jedes Berufsjahr verzinst. Dieser Zinssatz gilt trotz der zuletzt gesunkenen Renditen und kann nicht einfach so auf drei oder zwei Prozent herabgesetzt werden.

Zwei Beispiele:

  • Jahresgehalt: 50.000 Euro
5%: 2.500 Euro
30 Berufsjahre: 2.500 Euro X 30 = 75.000 Euro
4% jährliche Verzinsung: 146.000 Euro Freibetrag


  • Jahresgehalt: 70.000 Euro
5%: 3.500 Euro
25 Berufsjahre: 2.500 Euro X 25 = 87.500 Euro
4% jährliche Verzinsung: 151.500 Euro Freibetrag


Zum Schonvermögen können zudem Rücklagen für ein defektes Auto gehören. Aber auch hier ist die konkrete Höhe für jeden Einzelfall zu prüfen.

Das war der erste Teil der kurzen Serie: "Elternunterhalt im Pflegefall - wann müssen Kinder zahlen?". Im zweiten Teil blicken wir auf mögliche Auswirkungen für Leute, die Vermögen aufgebaut haben oder hauptsächlich von Zinsen und Dividendenzahlungen ihre Ausgaben bestreiten und ob Versicherungen für derartige Fälle nützlich sind.

Zum Weiterlesen:

6 Kommentare:

  1. Unsre Oma, die grad Anfang Februar gestorben ist, hatte auch Pflegestufe 3, wurde ambulant betreut (also 3mal täglich kam der Pflegedienst zu ihr nach Hause) und die Kosten dafür lagen so bei 1600€ (allerdings tendenz steigend, jedes jahr). War alles machbar, die Kasse zahlt ja 1550€ und den Rest nimmt man halt von der Rente.
    So irgendwelche Unterbringungen von drei-vier-und mehr-tausend Euro in einem Heim kann ich mir garnicht vorstellen, na vllt ist das in anderen Regionen verbreitet, solche Preise. Bei uns im Osten ist alles etwas niedriger, zwar die Löhne aber eben auch die Kosten.

    Das Mitansehen bei meiner Oma hat mir auch wieder gezeigt, dass man das ab ner gewissen Grenze der Lebenswertigkeit nicht unbedingt auf Teufel komm raus bis zum Ende mitmachen muss. Ich selbst habe jedenfalls nicht vor noch Jahre in meinem Bett halb komatös rumzuliegen (das ist dann auch die Phase wo der medizinisch-industrielle Komplex am meisten abkassiert, um einen am Leben zu erhalten) m.M.n. sinnlos, also wenns mal bei mir soweit kommt, mach ich das nicht mehr mit.
    Das aber nur am Rande.

    Zu der Unterhaltsregelung, ich glaube was die Leute davon halten hängt immer stark davon ab ob sie selbst betroffen sind oder nicht ;)
    Nicht betroffen: "Ja, find ich gut so. Die Assis sollen erstmal alle selber bezahlen, bevor sie mein(!) Steuergeld bekommen."
    Sobald selbst betroffen: "Wäähwääh, das ist sooo unfair, warum muss ich das selber bezahlen, warum hilft mir denn keiner ?"

    Und das sind meist ein und die selben Menschen die so denken. So eine gedankliche "Flexibilität" liegt wohl in der Natur des Menschen.

    Das beste, was man wohl machen kann, ist sich wenigstens schonmal vorher über seine Verwandtschaftsverhältnisse klar zu werden um wenigstens grob abzuschätzen was mal eventuell auf einen zukommen könnte. Hilft zwar alles nix, aber so ist das nunmal

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  2. Sie schreiben "Interessanterweise ist es dabei unerheblich, ob zwischen Eltern und Kind eine gute oder schlechte Beziehung besteht oder ob man überhaupt Kontakt hat." Gibt es hier weitere Sonderregelungen (außer Misshandlungen)?

    Ich habe seit meinem 3. Lebensjahr kein Kontakt mehr zu meinem Vater. So würde ich es doch sehr vermissen finden, für eine mir völlig fremde Person zu zahlen.

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    1. Das hört sich sehr nach einem Grenzfall an. Ich würde mich bei einem Anwalt beraten lassen. Denn erst neulich gab es ein Gerichtsurteil dazu.
      http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2014&Sort=3&nr=66768&pos=0&anz=27

      Die Grenzen, wann ein direkter Nachkomme nicht unterhaltspflichtig ist, sind ziemlich eng gesteckt.

      Wenn Sie neue Informationen dazu erhalten haben, würde ich mich freuen, wenn Sie diese kurz hier skizzieren könnten. Das Thema ist sicher von allgemeinem Interesse.

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  3. Danke für den informativen Artikel. Das Schonvermögen - insbesondere für die Altersvorsorge - ist doch einiges höher als angenommen.

    Aus gegebenem Anlass interessiert mich, wie die Unterhaltsregelung für Stiefeltern aussieht. Nach meinen Informationen besteht hier keine Unterhaltspflicht. Oder gibt es hier auch Ausnahmen?

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    1. Das Amt macht einen regelmäßig Angst. Das letzte Mal bekam ich die Auskunft, dass die LV's meines Mannes zu hoch sind. Schwiegerkinder können zwar nicht über die Altervorsorge belangt werden, aber sie können dann gegenüber ihren Ehegatten unterhaltspflichtig werden und das Amt holt sich das Geld dann auf diesem Weg. Ich hab das letzte Mal schon mit Scheidung gedroht.

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  4. Mutter hat es geschafft Pflegestufe 3 für meinen Vater zubekommen,dadurch braucht sie keinen heimeinweisungsschein. Vater kann nach einem Sturz noch am Rollator gehen, selbständig essen und trotz Demenz kenn er noch unsere Namen.Mutter hat einen Antrag beim Sozialamt für die Heimkosten gestellt und nicht ihr Barvermögen angegeben. Muss man als Kind dem Amt Auskunft erteilen, wenn Mutter einen Alleingang startet, wo keine Not bestand ,Vater ins heim zugeben?

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