Freitag, 18. Juli 2014

Widersprüchliche Einschätzungen zur aktuellen Situation am Aktienmarkt

Mittlerweile dauert die Aktienhausse über fünf Jahre an. In normalen Zyklen herrscht nach einer langen Aufwärtsbewegung im Standardfall eine allgemein optimistische, teilweise euphorische Stimmung bei den Marktteilnehmern. Das ist dann ein recht zuverlässiges Zeichen für eine Unterbrechung oder sogar ein Ende des Aufwärtstrends Doch in der breiten Masse kann ich diese Euphorie derzeit nicht erkennen. Die Einschätzungen zur aktuellen Bewertung am Aktienmarkt gehen sogar ziemlich deutlich auseinander.

Gründe für eine Korrektur oder noch mehr
Auf der einen Seite haben gerade in den zurückliegenden ein bis zwei Jahren viele Aktien ziemlich deutliche Kursanstiege hingelegt. Es waren nicht selten mehr als 20, teilweise über 30 Prozent Kursanstieg innerhalb eines Jahres. Allerdings sind gleichzeitig die Anstiege beim Umsatz und Gewinn weniger deutlich ausgefallen. Das heißt letztendlich nichts anderes als das im breiten Marktdurchschnitt die Unternehmensanteile mehrheitlich nicht mehr so günstig sind wie vor zwei Jahren.
Das zeigt sich an Bewertungen wie zum Beispiel dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV). Es gibt zwar selbst derzeit noch günstig bewertete Unternehmen, aber man muss sie schon suchen. So sind viele bekannte Dividenden-Aristokraten zur Zeit fair bis sportlich bewertet und bei den profitablen Unternehmen haben aktuell weniger als ein Drittel der Top 25 Plätze Pluspunkte für eine günstige Bewertung erhalten.

Gleichzeitig haben sich die Probleme in einigen Krisenregionen auf dieser Welt in den letzten Monaten eher verdichtet als gelöst. Man denke beispielsweise an den Gaza-Streifen oder die Ost-Ukraine. Die von der EU und den USA verhängten Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland wirken auch nicht gerade belebend auf die weltweite Wirtschaftsdynamik.

Trotz der leichten Besserung in den südeuropäischen Staaten darf dennoch nicht übersehen werden, dass diese Länder wirtschaftlich noch längst nicht gesundet sind. Und die europäische Zentralbank EZB kämpft eher mit Deflation als mit einer vor einiger Zeit noch allgemein erwarteten Inflation. Die Eurokrise könnte jederzeit wieder aufflammen, wie wir unter anderem in der Buchbesprechung über "die Krise" gesehen haben.

Neben den üblichen "Hardcore"-Crash-Propheten wie Marc Faber, Robert Prechter oder Harry S Dent sind derzeit selbst sonst eher optimistische Marktbeobachter nicht besonders zuversichtlich für die nächsten Monate.

S&P 500 seit 1990. Der rund 15 Jahre
anhaltende Seitwärtskorridor wurde
im Jahr 2013 nach oben hin verlassen.
Für Chartanalysten ist so ein Ereignis
der Start einer neuen verstärkten
Hausse - Quelle: comdirect.de
Gründe für weiter steigende Aktienkurse
Auf der anderen Seite wird gerne auf die Historie verwiesen. Nach etlichen Jahren einer Seitwärtsbewegung gab es in der Vergangenheit anschließend einen längeren und markanten Aufwärtstrend. Die Zeit von 2000 bis Ende 2012 wurde oft als verlorenes Jahrzehnt betitelt, weil die Kurse von DAX, EuroStoxx oder Dow Jones in diesem Zeitraum zwar sehr stark schwankten, aber letztendlich keinen nennenswerten Kursanstieg brachten.
Erst zum Beginn des Jahres 2013 wurde dieser Seitwärtskorridor beim S&P 500 - Index nachhaltig nach oben hin verlassen.

Das wichtigste Argument für weiter kletternde Aktienkurse sind jedoch die niedrigen Leitzinsen in der Eurozone, in den USA, in Japan und England. Den Zusammenhang zwischen Leitzinsen und Aktienmarkt hatten wir bereits in einem früheren Artikel betrachtet.
Im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten von Amerika wird zumindest wieder über Zinsanstiege nachgedacht.
Selbst wenn irgendwann wieder die Zinsen angehoben werden, die Frage wird bleiben, ob zum Beispiel eine Leitzinserhöhung auf 1 Prozent (da müssen wir in den USA auch von quasi 0 Prozent erst einmal hinkommen) nicht eher einen symbolischen Charakter hat. In der Vergangenheit hatten erst Leitzinssätze von 4 bis 5 Prozent angefangen negativ auf den Aktienmarkt zu wirken.

Nicht vergessen werden sollte, dass lediglich in den USA eine lupenreine Hausse über 5 Jahre stattgefunden hat. Der Euro Stoxx hatte auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Jahr 2011 fast wieder seinen Tiefststand von 2009 erreicht. Hier begann die Rally eigentlich erst im Jahr 2012. Und der Schwellenländer-Index MSCI Emerging Markets steht heute noch immer über 10 Prozent niedriger als im Frühjahr 2011.

Vielleicht geht es in Europa und in den Schwellenländern jetzt erst richtig aufwärts, während der Markt in den USA bald schwächelt?
Niemand weiß es und Leser dieses Blogs kennen meinen Tipp, frisches Kapital immer in Intervallen zu investieren. Die Höhe und Häufigkeit hängt natürlich vom verfügbaren Geld ab. Aber so ist man auf jeden Fall beim weltweiten Produktivkapital dabei, dämpft jedoch gleichzeitig das Risiko zuviel Geld in der Nähe eines mittelfristigen Hochpunktes in den Markt zu bringen.

Zum Weiterlesen:

6 Kommentare:

  1. hallo

    was bedeutet dieser artikel vor dem hintergrund, dass ich jetzt 40000€ in den aktienmarkt reinpumpen wollte (auf dem konto bringt das ja nix mehr). soll ich in dividenden aristokraten eher investieren oder doch alles diversifizieren? wie lange längt man so geld an? bin 30 und würde gerne in den nächsten 2 jahren wenn es sich ergibt lieber eine wohnung mein eigen nennen als dass mein geld in aktien steckt, die aufgrund einer korrektur unter dem ursprünglichen wert liegen. hat jemand gedanken hierzu?

    danke

    chris

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    1. In den Aktienmarkt sollte man nur Geld investieren, was man mindestens 5, besser über 10 Jahre nicht mehr benötigt. Gerade wenn der Schwerpunkt auf regelmäßige Dividendenzahlungen liegt, ist der Anlagehorizont quasi unendlich. Diese sollen ja möglichst bis zum Lebensende regelmäßiges passives Einkommen bringen. Denn sobald man sein Investment verkauft hat, fließt daraus auch keine Dividende mehr.

      Insofern kann ich den Kommentar von Dummerchen weiter unten nur unterstreichen. Wenn das Geld innerhalb der nächsten zwei Jahr benötigt wird, sollte es überhaupt nicht in Aktien angelegt werden.

      VG
      Lars

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  2. Tja das ist halt das Problem mit Booms und Crashs. Sie passieren eben nicht, wenn jeder sie erwartet, sondern gerade dann wenn keiner sie erwartet.

    Ich stimme zu dass ich für die aktuelle Hausse keine wirklich übertrieben euphorische Stimmung am Markt wahrnehmen kann. Ein paar Jubelperser gibts zwar immer, aber im Großen und Ganzen scheinen sich wohl noch zuviele Leute an die Krise von 08 zu erinnern und "trauen" dem Braten nicht so recht. Man sieht ja auch online, wie überall nach dem nächsten Crash gefragt wird und man sich taktisch positionieren will - das ist also (zumindest psychologisch) keine "echte" Blase da zumindest keine übertrieben unvorsichtige "Juhu es wird immer weiter steigen" -Stimmung vorherrscht (man vergleiche nur mal z.b. die Hochzeiten des Neuen Marktes damals).

    Ausserdem sehe ich noch nicht direkt, was denn das "Thema" des aktuellen Booms sein soll. Anfang des Jahrtausends war es ja noch Tech, in das man (damals verfrüht hohe) Erwartungen gesetzt hat, die dann zusammengestürzt sind. Die letzte Finanzkrise hatte ihren Kern ja anscheinend im heißgelaufenen amerikanischen Immo-Bereich. Und aktuell ? Man könnte argumentieren, das die Werte an den Börsen zum Großteil ja nur von der Geldschwemme der Notenbanken gestützt und getrieben werden. Ob und wie lange das noch gut geht, kann ich nicht sagen (würde ich auch keinem anderen glauben), irgendwann kommt eben ein unvorhergesehenes Ereignis und der Knick (und es ist immer was unvorhergesehenes - wenn es alle schon wüssten, würden sie sich drauf einstellen und der Crash käme ja erst garnicht).

    Mir kann das insofern "egal" sein, als dass ich wie du ja schon erwähnst, einfach immer ein paar vernünftige Grundregeln versuche einzuhalten, unabhängig von der aktuellen Marktlage. Investieren in Intervallen ist das eine, das andere ist Diversifikation und ausbalancierte Asset-Allokation. Geht die Börse nach oben, werden eben ein paar der Aktiengewinne umgeschichtet in defensivere Anlageklassen, und bei der nächsten Korrektur genauso wieder nachgekauft.

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    1. Danke für die gute Ergänzung, die Asset Allocation und ein regelmäßiges Rebalancing sollte man natürlich im Blick behalten bzw. durchführen. Die Anlageklasse Aktien müsste derzeit einen größeren Anteil an der gesamten Anlageklassenverteilung haben als ursprünglich gewünscht (weil sich Aktien so gut entwickelt haben). Daher bietet sich an die anderen Anlageklassen im Vergleich zu Aktien aufzustocken.

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  3. hi christoph

    danke für deinen beitrag - sehr hilfreich!

    kannst du beispiele zu deinen grundlagen nennen, und wie du das machst (also investieren in intervallen, diversifikation und ausbalancierte asset-allokation).

    1) bezieht sich das auf den umstand, dass ich einen monatlichen sparplan anlege anstatt eine grössere summe auf einmal anzulegen?
    2) diversifikation ist klar. da verlass ich mich momentan auf den aereo etf. gute entscheidung?
    3) wie oft sollte man so etwas durchführen? wenn man den aereo hat, geschieht das 1x jährlich. bin also fein raus. habe aber auch noch andere etfs, die ich holen möchte (auf small caps us/eu, auf dividendenaristokraten).

    generell möchte ich eines gerne verstehen: diese dividendenstrategie, die hier beschrieben wird im blog, die passives einkommen erzielen soll: funktioniert diese jetzt überhaupt noch in den nächsten jahren, wenn die kurse der aktien überbewertet sind angetrieben durch die geldschwemme, und demnach fallen werden, und unternehmen somit auch die dividienden streichen werden? ist jetzt eher ein zeitpunkt von dieser passiven dividenden strategie abstand zu nehmen?

    danke chris

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    1. "2) diversifikation ist klar. da verlass ich mich momentan auf den aereo etf. gute entscheidung?"

      Wenn Du genau die Asset Allocation haben möchtest wie im Arero (60% Aktien, 25% Anleihen, 15% Rohstoffe), ist der Arero nicht die schlechteste Entscheidung. Für mich wär das nichts, da ich eine andere AA habe und die Kosten mit einer reinen ETF-Lösung noch geringer sein können. Schlecht ist der Arero aber per se nicht.

      "3) wie oft sollte man so etwas durchführen? wenn man den aereo hat, geschieht das 1x jährlich. bin also fein raus. habe aber auch noch andere etfs, die ich holen möchte (auf small caps us/eu, auf dividendenaristokraten)."

      Du meinst das Rebalancing, oder? Das kann man z.B. jährlich machen oder wenn der Anteil einer Anlageklasse eine Grenze über- oder unterschreitet (z.B. 5% absolut oder 25% relativ) oder auch mit jeder Neuanlage. Möglichkeiten gibt es viele und es gibt nicht DIE eine, die immer besser ist. Man sollte sich auf eine Regel einigen und diese dann auch konsequent verfolgen und Markettiming gar nicht erst versuchen.

      "generell möchte ich eines gerne verstehen: diese dividendenstrategie, die hier beschrieben wird im blog, die passives einkommen erzielen soll: funktioniert diese jetzt überhaupt noch in den nächsten jahren, wenn die kurse der aktien überbewertet sind angetrieben durch die geldschwemme, und demnach fallen werden, und unternehmen somit auch die dividienden streichen werden? ist jetzt eher ein zeitpunkt von dieser passiven dividenden strategie abstand zu nehmen?"

      Eine gute Strategie hängt nicht davon ab, was heute oder morgen an den Börsen passiert sondern sollte langfristig ausgerichtet sein. Das kollidiert allerdings erheblich mit der Aussage aus Deinem ersten Kommentar:
      "bin 30 und würde gerne in den nächsten 2 jahren wenn es sich ergibt lieber eine wohnung mein eigen nennen"

      Wenn Du in den nächsten 2 Jahre auf das Geld angewiesen bist, solltest Du die Finger von Aktien lassen. Auch ein Arero-Engagement würde ich unmittelbar einstellen und auflösen. Du solltest mindestens 10 Jahre auf das investierte Geld verzichten können, wenn Du in Aktien investierst.

      Gruß
      Dummerchen

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