Freitag, 12. April 2013

Wo bleibt die lange befürchtete Inflation?

Die Finanzkrise 2008 war offenbar derart bedrohlich, dass die großen Notenbanken dieser Welt die Leitzinsen auf Rekordtiefststände senkten. Dies wird im Standardfall immer dann gemacht, wenn die Wirtschaft mit günstigem Geld Stimulationsanreize benötigt. Die Gefahr beim Fluten der Wirtschaftsmärkte mit billigem Geld scheint auf der Hand zu liegen, es droht Inflation. Doch die aktuellen Teuerungsraten sind eher rückläufig.


Die Inflationsgefahr, also ein Prozess, bei dem Geldvermögen an Wert verliert, war bei vielen Marktbeobachtern großer Konsenz. Der bekannte Marktanalyst und Buchautor Stefan Riße schrieb  Ende 2009 in seinem Buch "Die Inflation kommt" ziemlich gut nachvollziehbar argumentiert, dass die geöffneten Geldschleusen früher oder später in eine deutliche Geldentwertung münden.

Die allgemeine Inflationsbefürchtung mag auch einer der Hauptgründe gewesen sein, warum zum Beispiel der Goldpreis alleine im Zeitraum von Ende 2008 bis Mitte 2011 um über 1000 US-Dollar anstieg. Wahrscheinlich wurden die Ängste vorzeitig - und zu voreilig? - im Markt eingepreist.

Seit Mitte 2011 traten jedoch speziell in der Eurozone massive Probleme auf. Mit der zunehmend eingeschlagenen Austeritätspolitik - also sparsam zu haushalten - kamen offenbar zahlreichen Marktteilnehmern Zweifel auf, ob nun wirklich Inflation die große Gefahr ist. Seit dieser Zeit korrigiert der Goldpreis mit einer leicht abwärts gerichteten Kursbewegung.

Umlaufrendite Deutschland
Quelle: https://www.comdirect.de/


Dieser Zustand des billigen Geldes der großen Notenbanken dauert nun seit über vier Jahren an. Die aktuellen Teuerungsraten in den USA liegen um 2%, in der gesamten Eurozone knapp unter 2% und in Deutschland bei 1,4% (Stand: März 2013).
Unter normalen Umständen müsste die Preissteigerungsrate bei diesen niedrigen Leitzinsen jedoch wesentlich höher liegen. Inflationsraten um 2% werden von vielen Notenbanken angestrebt, aber eigentlich mit einem Leitzins, der auf ähnlichem Niveau liegt.

Somit liegen EZB, FED&Co mit ihrer Einschätzung offenbar gar nicht so verkehrt, eine Politik des günstigen Geldes zu betreiben. Ob sie dann, falls tatsächlich die Verbraucherpreise irgendwann wieder ansteigen, die Leitzinsen rechtzeitig und weit genug anheben, wird die Zukunft zeigen. Die Europäische Zentralbank EZB denkt jedoch derzeit eher darüber nach die Leitzinsen von aktuell 0,75% noch weiter zu senken.

Persönliche Inflationsrate
Ich weiß, die "offizielle" Inflationsrate wird von einigen angezweifelt. Und in der Tat hat jeder Mensch seine eigene Inflationsrate. Wer viel mit dem Fahrzeug unterwegs ist, hängt natürlich mehr von der Entwicklung der Kraftstoffpreise ab als jemand, der kein Auto besitzt. Wer sich häufiger Elektrogeräte anschafft, der stellte dagegen in den letzten Jahren fest, dass für etwa denselben oder sogar gesunkenen Preis immer leistungsfähigere Ware zu bekommen war.

Vor ein paar Wochen habe ich hier das sogenannte Inflationsbarometer vorgestellt, vielleicht finden wir dort einige Hinweise auf eine herannahende Inflation? Gehen wir die dort genannten und kurz erklärten Indikatoren einmal der Reihe nach durch.

Preissteigerungsrate Eurozone
Diese lag zum Beginn des Jahres 2012 noch bei 3% und ist seitdem fallend, im Moment liegt der Wert unter 2%.

Verbraucherpreisindex Deutschland
Dieser Wert lag noch 2012 etwas über 2% und speziell wegen der gleichzeitig recht hohen Preise für Kraftstoff schrieben einige Medien damals über die zunehmende Inflation. Zuletzt lag die Teuerungsrate in Deutschland bei 1,4% (März 2013), hier ist ebenfalls der Trend eher abwärts gerichtet.

Umlaufrendite Deutschland
Dieser Indikator lag Anfang 2011 noch bei 3% und ist seitdem ziemlich stetig auf derzeit rund 1% gefallen.

EURIBOR (12-monatliche Laufzeit)
Der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) lag 2008 noch über 5%, hatte ein lokales Maximum in 2011 bei knapp über 2% und liegt nun seit einigen Monaten deutlich unter 1%

Zinsniveau 10-jährige US-Staatsanleihen
Das Zinsniveau der 10-jährigen Staatsanleihen der USA war in den zurückliegenden Jahren fallen und stagniert seit Ende 2011 um den Wert von 2%. Anfang April 2013 lag der Wert bei 1,8%.

Goldpreis in US-Dollar
Weiter oben hatten wir bereits kurz auf den Goldpreis geschaut. Seit Spätsommer 2011, als der Wert in der Spitze über 1900 US-Dollar lag, ging es insgesamt seitwärts bis abwärts. Aktuell wird eine Unze Gold mit einem Preis von deutlich unter 1550 US-Dollar gehandelt.

Fazit
Keiner der im Inflationsbarometer betrachteten Indikatoren weist aktuell eine ansteigende Bewegung auf. Mit dem Hintergrund der seit langem extrem niedrigen Leitzinspolitik der Notenbanken deutet derzeit kaum bis gar nichts auf eine baldige und ernsthafte Inflationsgefahr hin. Schon die Aussicht die Leitzinsen seitens der Notenbanken teilweise längeren Zeit auf diesem Niveau belassen zu wollen zeigt: Nicht Inflation, sondern eher deflationäre Kräfte sind unser Problem.
Die Historie zeigt außerdem, Inflation tritt nicht in einem Umfeld eines eher schwachen Wirtschaftswachstums auf, sondern wenn die Wirtschaft richtig brummt.

Für Geldanleger hat die wohl noch für einige Zeit anhaltende Geldschwemme natürlich Auswirkungen. Der befürchtete starke Renditeanstieg an den Anleihenmärkten wird in naher Zukunft wohl nicht stattfinden. Falls doch, nur in geringerem Ausmaß als noch vor einigen Monaten erwartet worden war.
Anleger in Aktienmärkte können sich voraussichtlich weiterhin wegen hoher verfügbarer Liquidität und geringer Attraktivität konkurrierender Zinsanlagen freuen.


Zum Weiterlesen:

6 Kommentare:

  1. Hi Lars,

    ich teile deine Einschätzung des Inflationsrisikos nicht. Man muss sich nur mal ansehen, um wie viel die Geldmenge in den letzten Jahren gestiegen ist. Das war allein im Jahr 2008 um 11,3% im Euroraum.
    Der Grund warum die Inflation noch nicht beim Verbraucher angekommen ist, ist das die Banken das ganze Geld bei der EZB parken oder in den Aufkauf von Staatsanleihen stecken, anstatt in den Umlauf zu bringen.
    Dadurch ist davon bisher kaum was von der Geldmenge beim Verbraucher angekommen. Wenn diese Reserven den Markt schwemmen, wird es unweigerlich zu höheren Inflationsraten kommen, wodurch auch die Aktien weiter steigen werden. Auf der Strecke bleiben dann diejenigen, die nicht in Aktien investiert sind.

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    1. Das ist alles richtig und ich bestreite auch nicht, dass ein - zumindest potentielles - Inflationsrisiko besteht.

      Aber die Argumentation "Wenn diese Reserven den Markt schwemmen,..." hören wir bereits seit vier Jahren.
      Vergehen noch weitere vier Jahre, bis es wirklich zu diesem Ereignis kommt?

      Dass der Aktienmarkt auch gut ohne real hohe Inflationsraten gut performen kann, haben wir in den vergangenen Jahren ja erlebt :-)

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  2. Vor einigen Tagen habe ich von der Bank of Scotland, wo ich immer einen gewissen Puffer zwischen parke, die Nachricht erhalten, dass die Zinsen von 1,6 auf nun 1,4%p.a. gesenkt werden. Ich könnte mir Vorstellen, dass es bei anderen Tagesgeldangeboten nicht anders aussieht.

    Sind die durchschnittlichen Tagesgeldzinsen nicht auch ein Indikator für die Entwicklung der Inflationsrate? Oder ist es nur so, dass die Tagesgeldzinsen sinken weil die EZB, wie oben erwähnt, wohl plant den Leitzins noch weiter zu senken?

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  3. Der wichtigste Leitzins der EZB liegt bei 0,75%. Ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen, ist das der maßgebende Zinssatz für Zinsen des Geld- und Kapitalmarktes. Viel Luft für weitere Senkungen ist da nicht mehr.
    Mit deinen 1,4% liegst du aber noch ein Stück über der 0,75%, und umso länger die Niedrigzinsphase anhält, umso weiter werden die Zinsen noch fallen. Der Boden ist bei Tagesgeldkonten noch nicht erreicht.
    Im Moment gibt dir deine Bank praktisch mehr als den Marktzins.

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    1. Also die gefühlte Inflation zieht schon an! Ich habe schon das Gefühl, dass sich viele Produkte des täglichen Bedarfs im Preis erhöht haben...

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  4. Offizielle Inflationsrate in Deutschland im April: +1,2%.

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